Leo Erken – Straße
Du hast von außen geschaut, deswegen gibt es diese Fotos. Wir, die wir mitten drin gesteckt haben, haben andere, nicht diese Beobachtungen gemacht. Die Veränderungen betrafen uns zu sehr selbst.
Schon vor einer Weile sprach Svea Gustavs, Gestalterin und Verlegerin in Amsterdam, aber als Bürgerin der Deutschen Demokratischen Republik geboren, die magischen Worte, die zu diesem Buch geführt haben. Gemeinsam öffneten wir Kartons voller Fotos, gingen mit den Augen eines Historikers durch mein Archiv. Mehr als zwölf Jahre bin ich durch Osteuropa und die ehemalige Sowjetunion gereist, all die verschiedenen Veränderungen festhaltend. Ich versuchte mit meiner Kamera, die sich entwickelnden Ereignisse zu verstehen.
Meine erste Reise führte mich 1987 nach Belgrad zu einem Freund. Ich war Student an der Kunstakademie, und die große, weite Welt lockte. Ich machte Pläne, wollte alles sehen. Bis dahin war meine einzige Ost-Erfahrung eine Klassenfahrt nach Berlin gewesen. Was wußte ich denn schon? Ich bin einfach weiter gereist und wurde zum Zeugen der Geschichte. Als die Grenzen geöffnet waren, zogen die Umbrüche und Revolutionen mehr neugierige Leute wie mich an. Ich wurde Teil einer Gemeinschaft von Journalisten und Fotografen, die nach jeder Reise gemeinsam neue Pläne machte. Es gab immer einen Grund. Mit lokalen Dolmetschern und „Machern“ arbeitend (Geduld war eine echte Tugend), verwendete ich viel Zeit und Kraft darauf, Zugang zu Orten zu bekommen und dicht an beteiligte Personen zu kommen.
Ich hörte einmal die weisen Worte eines berühmten Geigers, der sagte, daß man bei der Aufführung nie die vielen Mühen des Übens zeigen sollte. Das schwierigste Musikstück sollte sich wie die einfachste Sache der Welt anhören. Diese Worte hatte ich im Hinterkopf, als ich Fotos in schwierigen oder unzugänglichen Situationen machte. Meine Credo war: „Sei der Beobachter, stelle Fragen, aber laß die Szene selbst arbeiten, misch dich nicht ein, sondern schaue hin, höre zu und reagiere…“.
Sei der Beobachter, stelle Fragen, aber laß die Szene selbst arbeiten, misch dich nicht ein, sondern schaue hin, höre zu und reagiere…
Zu der Zeit begann auch in den Medien eine Revolution. In meinem Beruf veränderten digitale Techniken und das Internet alles. Das handwerkliche Können eines professionellen Fotografen war nicht länger exklusiv. Jeder hatte die Möglichkeit, mit Fotografie zu kommunizieren und diese auf dem Internet zu veröffentlichen. Das ist eine große Sache. Fotojournalisten stehen an vorderster Front. Wir sind Pioniere. Wir gehörten zu den ersten, die Internetseiten bauten und ihre Arbeiten über die neuen Medien weltweit verbreiteten. Aber es hatte auch eine Kehrseite: Als sich das Blatt für die grafische Industrie aufgrund des Rückgangs an Anzeigeneinnahmen wendete, wurden als erstes die Budgets für Fotografie gekürzt.
Schon damals in den 90ern, als ich hunderte Fotos pro Jahr veröffentlichte, war es schwer, mit der Arbeit, wie ich sie machte, genug Einkommen zu generieren. Heute ist es praktisch unmöglich. Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen kaum noch zeitraubende, beobachtende Fotoserien. Fotojournalisten, so wie ich, fanden Unterstützung in der Kunstwelt und durch private Finanzierung.
Ich bekam Stipendien, die mir für einige Zeit die Fortsetzung meiner Arbeit ermöglichten, bis ich mich entschloß, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich begann, an nicht-journalistischen Projekten und Dokumentarfilmen zu arbeiten und wurde Dozent an einer Kunstakademie.
Alles in diesem Buch ist Geschichte. Vor zehn Jahren habe ich mein letztes Foto in Rußland gemacht. Ich brauchte einige Zeit, um herauszufinden, für wen es ein Buch wie dieses geben sollte. Drei Jahre lang haben wir Entwürfe des Buches auf der Leipziger Buchmesse gezeigt und die Reaktionen der Besucher registriert. Dort beschlossen wir, wer unser Publikum sein würde. Das Buch ist für die Menschen, die es angeht. Es ist für diejenigen, die es selbst erlebt haben oder deren Eltern beteiligt waren. Sie repräsentieren die Geschichten, über die von außen betrachtet viele verschiedene Meinungen verkündet werden. Und ich? Ich war und bleibe ein Außenstehender, aber ich war dicht dran und sah hin.
Leo Erken, Amsterdam, 2013/2015.
Das Buch ist für die Menschen, die es angeht. Es ist für diejenigen, die es selbst erlebt haben oder deren Eltern beteiligt waren. Sie repräsentieren die Geschichten, über die von außen betrachtet viele verschiedene Meinungen verkündet werden. Und ich? Ich war und bleibe ein Außenstehender, aber ich war dicht dran und sah hin.
Westberlin, 1983. Berliner Mauer von Westberlin, Nähe Potsdamer Platz, aus gesehen. Die Berliner Mauer wurde am 13. August 1961 von der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) begonnen zu bauen. Die Grenzanlage riegelte Westberlin komplett von Ostberlin und der umliegenden DDR ab.
Teil 1: Osteuropa
Katowice, Polen, 1987.
Belgrad, Jugoslawien, 1987.
Belgrad, Jugoslawien, 1987.
Gdańsk, Poland, 1990
Budapest, Ungarn, 1987. Konzerthalle der Franz-Liszt-Musikakademie.
Warschau, Polen, 1987. Łazienki-Park. Besucher hören Musik des polnischen Komponisten Fryderyk Franciszek Chopin (1810-1849). Seit 1959 werden im Sommer an Sonntagnachmittagen öffentliche Konzerte mit Chopinstücken am Fuße des Chopin-Denkmals im Łazienki-Park aufgeführt.
Sofia, Bulgarien, 1991.
Prag, Tschechoslowakei, 1989.
Prag, Tschechoslowakei, 1989. Mánes-Brücke. Darüber die Prager Burg auf dem Hradschin, Sitz des Präsidenten. Die Tatra-Straßenbahnen aus dem Prager ČKD Werk waren mit der Zeit zu schwer für den Gleisunterbau und sorgten so für Straßenschäden. Tatra-Bahnen fuhren im ganzen Ostblock. In der DDR wurden die Wagen, erstmals 1968 in Serie geliefert, „Dubceks Rache“ genannt.
Katowice, Polen, 1987.
Nowa Huta, Polen, 1987
Częstochowa, Polen, 1987. Das Pauliner-Kloster in Jasna Góra mit dem Bild der Schwarzen Madonna ist das größte Marienheiligtum Ost- und Mitteleuropas, Wallfahrtstätte und das Nationalheiligtum Polens. Katholische Pilgerer stehen für die Beichte an.
Kalwaria, Polen, 1987
Warschau, Polen, Juni 1989. Papst Johannes Paul II. besucht Polen.
Gdańsk, Zaspa, Poland, June 12, 1987. Pope John Paul II visits Poland. The Polish church supported by the Polish Pope, John Paul II (Karol Józef Wojtyła, 1920-2005) in Rome, became the centre of resistance against the communist regime in Poland.
Gdańsk, Zaspa, Polen, 12. Juni 1987.
Den Haag, Niederlande, 22. Dezember 1989. Vor der rumänischen Botschaft in Den Haag wird ein Porträt von Nicolae Ceauşescu (1918-1989) von rumänischen Demonstranten verbrannt. In Rumänien verläßt er an diesem Tag, bei einem Aufstand gegen die Regierung, den Präsidentenpalast. Ceauşescu war von 1965 bis 1989 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Rumäniens. Er wurde gemeinsam mit seiner Frau Elena (1916-1989) am 2 Dezember 1989 hingerichtet.
Berlin, Deutschland, 1990. Die Berliner Mauer wird abgerissen nachdem die DDR-Regierung am 9. November 1989 bekannt gegeben hatte, daß alle DDR Bürger nach Westdeutschland und Westberlin reisen können. In der darauf folgenden Zeit ergriffen Touristen die Gelegenheit, als Souvenir ein Stück aus der Mauer zu hacken (Mauerspechte). Die Mauer wurde in den Monaten nach einer Pressekonferenz mit Günter Schabowski (1929), Bezirkssekretär der SED in Berlin und Sprecher des SED-Politbüros, am 9. November 1989, abgerissen. Auslöser war die Frage eines Journalisten, ab wann die neue Reiseregelung in Kraft treten würde. Eine gerade erhaltene Notiz lesend antwortete er: Das trifft nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich. In der Nacht überquerten tausende DDR-Bürger die Grenze nach Westberlin.
Das trifft nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich.
Günter Schabowski, 9. November 1989.
Berlin, Deutschland, 3. Oktober 1990. Bereitschaftspolizei am Tage der deutschen Wiedervereinigung am Reichstag, dem heutigen Sitz des Deutschen Bundestages. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) tritt an dem Tag der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bei und Berlin vereint sich wieder zu einer Stadt. Die Deutschen sprechen von „der Wende“.
Berlin, Deutschland, 1990. Potsdamer Platz. Als die Berliner Mauer 1961 gebaut wurde, teilte sie den Platz in zwei städtische Brachen, mit dem schwer gesicherten Mauer-Hinterland dazwischen. Nach der Wende wurde der Potsdamer Platz zu einer wichtigen zentralen Baustelle und das Gelände zum Spekulationsobjekt für die Stadt und Investoren.
Berlin, Marzahn, Deutschland, 1991.
Berlin, Marzahn, Deutschland, 1991.
Berlin, Marzahn, Deutschland, 1991.
Leipzig, Deutschland, 1991. Demonstration gegen Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern des wiedervereinigten Deutschlands. Die Montagsdemonstrationen nach dem wöchentlichen Friedensgebet in der Nikolaikirche in Leipzig waren 1989 Wegbereiter der Wende.
Bulgarien, 1991.
Sofia, Bulgarien, 1991. Prozeß gegen den ehemaligen Staatschef Todor Schiwkow (1911-1998). Schiwkow war von 1954 bis 1989 der kommunistische Leiter der Volksrepublik Bulgarien. Er trat am 10. November 1989 als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Bulgariens (KPB) zurück. Im Januar 1990 wurde er aus der KPB ausgeschlossen und wegen Vetternwirtschaft und Betrug inhaftiert. Zwei Jahre später wurde er wegen Unterschlagung von Regierungsgeldern zu sieben Jahren Haft verurteilt. Aufgrund seines Alters wurde die Strafe in Hausarrest umgewandelt. Er wurde 1996 vom Obersten Gerichtshof Bulgariens freigesprochen. Nach seinem Tod 1998 wurden alle Anklagen gegen ihn fallen gelassen.
Sofia, Bulgarien, 1991.
Sofia, Bulgarien, 1991.
Sofia, Bulgarien, 1991.
Bulgarien, 1991.
Bulgarien, 1991.
Warschau, Polen, 1990. Blick von der obersten Etage des Marriott-Hotels.
Warschau, Polen, 1990. Blick von der obersten Etage des Marriott-Hotels.
Warschau, Polen, 22. August 1989. Gazeta Wyborcza (Wahlzeitung), die Zeitung der Solidarność, hatte ihr Redaktionsbüro in einem ehemaligen Kindergarten. Die erste Ausgabe erschien am 8. Mai 1989 als Stimme der Solidarność-Bewegung im Auftakt zu den teilweise freien Parlamentswahlen am 4. Juni 1989. Die Zeitung war die erste legal und unabhängig von Regierungskontrolle herausgegebene Tageszeitung nach 1945. Adam Michnik ist seit dem Anfang Chefredakteur.
Warschau, Polen, 17. August 1989. Die Abgeordneten von Solidarność (Solidarität) im Sejm, dem polnischen Parlament. Viele von ihnen saßen unter der kommunistischen Regierung aus politischen Gründen in Haft. Jan Lityński (1946), 2 Jahre Haft, Adam Michnik (1946), 6 Jahre Haft, Mieczysław Gil, (1944) 1 Jahr Haft, Henryk Wujec (1940), 6 Jahre Haft, Bronisław Geremek (1932-2008), 2 Jahre Haft und Jacek Kuroń (1934-2004), 7 Jahre Haft.
Solidarność (Solidarität) begann als eine Gewerkschaft, die am 31. August 1980 auf der Gdańsker Werft unter der Leitung von Lech Wałensa (1943) gegründet wurde. Sie war die erste freie Gewerkschaft in einem Land des Warschauer Paktes (Der Warschauer Pakt war ein militärischer Beistandspakt zwischen sieben Ostblockstaaten und der Sowjetunion in der Zeit des Kalten Krieges von 1955 bis 1991, als die Sowjetunion aufgelöst wurde). Die Solidarność-Bewegung war in den 80ern eine breite Bürgerbewegung, die mit Methoden der Zivilcourage Arbeiter- und Bürgerrechte einforderte. Die Gespräche am „Runden Tisch“ zwischen Regierungsvertetern und der Solidarność-geführten Opposition mündeten unter anderem in die teilweise freien Parlamentswahlen im Jahre 1989. Nach diesen Wahlen konnte das Bürgerkomitee von Solidarność mit großer Mehrheit in den Sejm einziehen.
Warschau, Polen, 1989. Im Sejm, dem polnischen Parlament, wartet Tadeusz Mazowiecki (1927-2013) hinter dem Platz von Präsident General Jaruzelski auf das Wahlergebnis.
Warschau, Polen, 24. August 1989. Der Sejm, das polnische Parlament, wählt Tadeusz Mazowiecki, Repräsentant der Solidarność-Bewegung, zum ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten in Ost- und Mitteleuropa nach 1945. Nachdem General Jaruzelski am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängt hatte, wurde Tadeusz Mazowiecki von Dezember 1981 bis Dezember 1982 inhaftiert.
Warschau, Polen, 1990. Schlesische Bergleute demonstrieren vor dem Sejm gegen die Mazowiecki-Regierung. Sie fordern sichere Arbeitsplätze und höhere Löhne.
Gdańsk, Polen, 1990. Am Tor der Gdańsker Werft, die am linken Ufer der Martwa Wisła auf der Ostrów-Insel liegt. Die Werft wurde international bekannt, als dort 1980 Solidarność als erste unabhängige Gewerkschaft Osteuropas nach dem 2. Weltkrieg und Zentrum der polnischen Opposition gegen die kommunistische Regierung gegründet wurde.
Opole, Poland, 1990. Lech Wałęsa (1943), Mitbegründer und Vorsitzender von Solidarność, während seiner Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen. Wałęsa begann seine Karriere als Elektriker auf der Gdańsker Werft, wo Solidarność geboren wurde. Während des von Jaruzelski verhängten Kriegsrechtes wurde er im Dezember 1981 inhaftiert. Wałęsa war bis Oktober 1982 in Haft. 1983 bekam er den Friedensnobelpreis verliehen. Da er nicht zur Verleihung nach Norwegen ausreisen durfte, nahm seine Frau Danuta den Preis an seiner Stelle entgegen. 1989 nahm er mit weiteren Solidarność-Vertretern, auf Einladung der kommunistischen Regierung, an den Verhandlungen des „Runden Tisches“ teil. Diese führten 1989 zu den teilweise freien Wahlen und leiteten die 1990 beginnenden Reformprozesse ein. Er sollte Polens erster, in freien Wahlen gewählte Präsident nach dem 2. Weltkrieg werden. Lech Wałęsa war von 1990 bis 1995 Polens Präsident.
Warschau, Polen, 1990. General Jaruzelski auf dem Weg zum Wahlbüro, um gemeinsam mit seiner Frau Barbara seinen Nachfolger zu wählen. Wojciech Witold Jaruzelski (1923-2014) war von 1981 bis 1989 Vorsitzender der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, von 1981 bis 1985 Ministerpräsident und von 1985 bis 1990 Staatsoberhaupt der Volksrepublik Polen.
Warschau, Polen, September 1989. Polens bekannteste Punk-Band Dezerter in ihrem Probenkeller.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Im Fenster des Frisörs Hygie hängt ein Porträt des Sowjetführers Michail Gorbatschow mit der Ankündigung des 72. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und dem Text: Perestroika (Umgestaltung) ist ein großes revolutionäres Dilemma des Sozialismus. Daneben: Hygie ist mit Ihnen und schließt sich am 27.11. dem Generalstreik an. (Am 27. November wurde ein landesweiter zweistündiger Generalstreik organisiert.) Ein weiteres Plakat: Unterstützt das Bürgerforum!
Prag, Tschechoslowakei, Wenzelsplatz, November 1989. Demonstranten gegen die kommunistische Regierung tragen ein Porträt von Alexander Dubček, dem ehemaligen Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei, der während des Einmarsches der Truppen des Warschauer Paktes 1968 gezwungen wurde abzutreten.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Tausende Demonstranten gegen die kommunistische Regierung kommen auf dem Wenzelsplatz zusammen.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Politische Diskussion auf einem U-Bahnsteig.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Studenten als die treibende Kraft der „Samtenen Revolution“ verbreiten Witzzeichnungen über die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (Komunistická strana Československa) (KSČ).
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Tausende Demonstranten gegen die kommunistische Regierung kommen auf dem Wenzelsplatz zusammen.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Wenzelsplatz.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Wenzelsplatz.
Prag, Tschechoslowakei, 1989. Studenten besetzen die Prager Universität.
Prag, Tschechoslowakei, 1989. Studenten besetzen die Prager Universität.
Prag, Tschechoslowakei, November 1989. Wenzelsplatz. Das Denkmal des Heiligen Wenzels von Böhmen ist, wie auch zum Prager Frühling 1968, mit Pamphleten, Losungen und den Bildern von Alexander Dubček und Tomáš Masaryk (1850-1937), dem Mitbegründer und ersten Präsidenten der Tschechoslowakei, beklebt.
Prag, Tschechoslowakei, 1989. Freitag, 24. November 1989. Václav Havel, Alexander Dubček und andere Mitglieder des Bürgerforums sprechen vom Melantrich-Balkon zu den Massen auf dem Wenzelsplatz. Das Gebäude am Wenzelsplatz 36 beherbergte den Melantrich-Verlag und die Zeitung der Sozialistischen Partei, Svobodné Slovo. Jetzt ist dort eine Filiale von Marks & Spencer.
Prag, Tschechoslowakei, Freitag, 24. November 1989. Im Theater Laterna Magika umarmen sich Alexander Dubček und Václav Havel nach der Bekanntmachung, daß das gesamte Präsidium des ZK der KPTsch, einschließlich Generalsekretär Miloš Jakeš, zurückgetreten ist. Václav Havel (1936-2011) war Theaterautor, Essayist, Poet, Dissident, Politiker und vor allem mehrere Jahrzehnte die Symbolfigur im Kampf gegen das kommunistische System in der Tschechoslowakei. Er sollte der erste frei gewählte Präsident der Tschechoslowakei nach 1945 und der Tschechischen Republik, nach der Teilung in zwei Staaten, von 1992 bis 2003 werden.
Die Tragödie des modernen Menschen besteht nicht darin, daß er im Grunde immer weniger über den Sinn des Lebens weiß, sondern daß ihn das immer weniger stört
Václav Havel, Briefe an Olga, 1988.
Alexander Dubček (1921-1992) war ein slowakischer Politiker und von 1968 bis 1969 Erster Sekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Sein Versuch, die Gesellschaft während des Prager Frühlings zu reformieren, mißlang. In der Nacht vom 20. zum 21. August 1968 marschierten Sowjetische (Warschauer Pakt)- Truppen in die Tschechoslowakei ein. Die Besatzerarmeen übernahmen die Kontrolle über Prag und das Gebäude des Zentralkommitees, Dubček und andere Reformer wurden festge- nommen. Dubček wurde im April 1969 gezwungen, als Erster Sekretär zurückzutreten. Nach der „Samtenen Revolution“ 1989 wurde Alexander Dubček Vorsitzender des föderalen tschechoslowakischen Parlaments. Er starb 1992 bei einem Autounfall. Die „Samtene Revolution“ war die gewaltfreie Revolution gegen die führende Rolle der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei im November/Dezember 1989. Sie führte zum Kollaps der Parteikontrolle über das Land. Die Oppositionsbewegungen verschiedener Richtungen wurden vom Bürgerforum organisiert. Gemeinsam waren sie in der Lage, die Massendemonstrationen, die zum Rücktritt der Regierung führten, zu organisieren. In der Organisation spielten die Studenten eine wichtige Rolle. Sie waren in der Lage mit den Massen zu kommunizieren, indem sie Tausende von Flugblättern, oft handgeschrieben oder mit Durchschlägen getippt, in der gesamten Stadt Prag verteilten.
Prag, Tschechoslowakei, Sonntag, 26. November 1989. Im Prager Letná-Park spricht der noch amtierende Ministerpräsident Ladislav Adamec zu den Massen, während Václav Havel und Alexander Dubček geduldig warten. Ladislav Adamec (1926-2007) war das letzte kommunistische Staatsoberhaupt der Tschechoslowakei. Er regierte vom 12. Oktober 1988 bis zum 7. Dezember 1989.
Prag, Tschechoslowakei, 1989. Die Studenten, die sich gerade erfolgreich an der „Samtenen Revolution“ beteiligt haben, zeigen ihre Solidarität mit den Demonstranten in Peking, China, wo am 4. Juni 1989 die Proteste auf und um den Tiananmen-Platz gewaltsam von der chinesischen Armee niedergeschlagen wurden.
Zagreb, Kroatien, 1991.
Zagreb, Kroatien, 2. Juni 1991. Präsident Franjo Tuđman (1922-1999) erklärt die Unabhängigkeit Kroatiens und die Auflösung der Verbindung mit Jugoslawien im kroatischen Parlament.
Belgrad, Serbien, 1990.
Belgrad, Serbien, 1991. Slobodan Milošević (1941-2006) regierte von 1989 bis 1997 als Präsident der Sozialistischen Republik Serbien und anschließend von 1997 bis 2000 in drei Wahlperioden als Präsident der Republik Serbien der Bundesrepublik Jugoslawien. Seine Präsidentschaft war vom Zerfall Jugoslawiens und den darauf folgenden Jugoslawienkriegen geprägt. Er starb 2006 in einer Gefängniszelle in Scheveningen, Den Haag, Niederlande.
Ljubljana, Slowenien, 1991. Nach der Unabhängigkeitserklärung am 25. Juni 1991 führte Slowenien 10 Tage Krieg mit der jugoslawischen Volksarmee.
Umgebung Ljubljana, Slowenien, Juli 1991. Ein slowenischer Plünderer sucht neben einem Panzerwagen der Jugoslawischen Volksarmee nach brauchbaren Gegenständen. Dieser war eine Stunde zuvor schwer beschossen worden, wobei alle Soldaten der Volksarmee ums Leben kamen.
Umgebung Ljubljana, Slowenien, 1991. Ein Konvoi der Volksarmee wurde von Slowenischen Truppen erobert. Der Zehn-Tage-Krieg zwischen den slowenischen Truppen und der Jugoslawischen Volksarmee begann am 27. Juni und endete am 7. Juli 1991 mit dem Brioni-Abkommen, bei dem die Europäische Gemeinschaft als Mediator fungierte.
Umgebung Ljubljana, Slowenien, Juli 1991. Ein Konvoi Radpanzer der Volksarmee wurde von Slowenischen Truppen erobert. Der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien breitete sich nach Kroatien (1991-1995), Bosnien (1992-1995) und Kosovo/Serbien (1998-1999) aus und endete mit den NATO-Bombardementen. Von humanitären Organisationen wurde geschätzt, daß etwa 140.000 Menschen in diesen Konflikten getötet wurden.
Dies ist das Ende von Teil 1.